70 Jahre WLV - Der Stuttgart-Lauf: ein historischer Abriss.
  15.04.2021 •     WLV , Top-News WLV , 70 Jahre WLV


Im Rahmen der „virtuellen“ Feierlichkeiten rund um den 70. Geburtstag des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes darf einer nicht fehlen. Einer, der seit 1994 eine wesentliche, man kann fast sagen, eine zentrale Rolle in und um den WLV einnimmt: der Stuttgart-Lauf. Längst unumstrittenes Zugpferd im WLV und immer wieder im Fokus vieler gesellschaftlicher Bereiche bahnt sich der größte Volkslauf im Verbandsgebiet von Jahr zu Jahr seinen Weg über Stuttgarts Straßen und die Diskussionen der Entscheidungsträger. Eines steht fest: wegzudenken aus der Geschichte und der Zukunft des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes ist der Stuttgart-Lauf keinesfalls, vielmehr ist er ein prägendes Element der letzten fast 30 Jahre! Lesen Sie heute einen kleinen geschichtlichen Abriss über Entstehung, Entwicklung und Zukunft des schönsten Stuttgarter Lauf-Events.

Noch ganz im Glanze der herausragenden Leichtathletik-WM im August 1993 in der Landeshauptstadt beschäftigte sich nur wenige Monate später eine Arbeitsgruppe um den damaligen WLV Geschäftsführer Norbert Brenner, Tilman Bertsch und Sportamtsleiter Herbert Aupperle mit der Idee, eine jährlich wiederkehrende Laufveranstaltung in Stuttgart zu etablieren. Dabei erschien es weniger schwierig die städtischen Gremien vom Bedeutungsgehalt eines solchen Events zu überzeugen, als vielmehr die Gremien des Verbandes. Diese nicht ganz einfache Aufgabe wurde dem damals neu gewählten Präsidenten, Karl Heinrich Lebherz zuteil. Doch wer den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Winnenden kennt, weiß, dass er von seiner Überzeugung, das Richtige zu tun, nur schwer, im Falle des Stuttgart-Laufs jedoch unter keinen Umständen, abzubringen war (und ist). Und so überzeugte er das WLV-Präsidium davon, diese Aufgabe zu übernehmen und man ließ ihn gewähren. In Herbert Aupperle und dem damaligen Sport-Bürgermeister der Stadt Stuttgart, Dr. Wolfgang Schuster, fand Lebherz äußerst kompetente Ansprechpartner und vor allem Dr. Schuster öffnete Tür und Tor zu potentiellen Sponsoren, die zum Teil bis heute als Partner des Stuttgart-Laufs auftreten und für die finanzielle Absicherung der Laufveranstaltung unerlässlich waren (und sind).

So starteten im April 1994, wohl gemerkt unter enormen Zeitdruck, die Vorbereitungen auf den 1. Stuttgart-Lauf. Ziel: alle, die sich bewegen wollten, sollten eine Startmöglichkeit bekommen. Von den Kleinsten bis hin zu den Senioren und gleichfalls Menschen mit Behinderung sollten von und mit dem Stuttgart-Lauf angesprochen und mitgenommen werden. Schon kurz nach der Premiere in 1994 ergänzten Walker und Inline-Skater das umfassende Bewegungsangebot des Stuttgart-Laufs. Viel Lob und Zuspruch erhielten die Protagonisten für die bis heute erhaltene Einstellung gegenüber Profisportlern. Ganz bewusst verzichtete man von Beginn an auf die Einladung von Profis oder gar von Weltstars – einerseits, da deren Forderungen sicherlich jeglichen finanziellen Rahmen gesprengt hätten, andererseits um gezielt die große Breite der Gesellschaft anzusprechen und die Bewegung für jedermann in den Mittelpunkt des Laufes zu stellen.

Das Frühstadium der Stuttgart-Lauf-Planungen war auch geprägt von der Etablierung eines Marathons entlang der „Blauen Linie“ des WM-Marathons. Allerdings wusste ein beratendes Gremium mit ausgewiesenen Fachleuten (diesem Gremium gehörte unter anderem auch Dieter Baumann an) das Orga-Team davon zu überzeugen, dass auf Grund des seinerzeit bereits vorhandenen Überangebots an etablierten City-Marathons für Stuttgart ein Halbmarathon das bessere Angebot sei. Die Mitarbeiter der WLV-Geschäftsstelle unterstützt von vielen Ehrenamtlichen, die auch bei der WM 1993 bereits im Einsatz waren, legten sich mächtig ins Zeug und schufen letztendlich die Rahmenbedingungen für den ersten Stuttgart-Lauf zu dem sich am 19. August 1994 mehr als 1.500 Läufer und Läuferinnen anmeldeten. Darunter mehr als 1.000, die den Halbmarathon mit Start in der Mercedesstraße und dem Ziel im damaligen Gottlieb-Daimler-Stadion in Angriff nahmen. Der Startschuss zu einer wahren Erfolgsgeschichte war gefallen.

Am Rande: die Halbmarathonstrecke verlief bereits 1994 am frühen Sonntagmorgen vorbei an der Cannstatter Stadtkirche, was zu kritischen Stimmen seitens des Evangelischen Stadtdekanats führte. Vor allem während des Gottesdienstes sollte möglichst auf (Lauf-)Sport verzichtet werden. Letzten Endes folgte auf das Veto der Kirche die Verlegung des Starts im Jahr 1995 auf den Samstagabend, doch das mit nur schwer ertragbaren Folgen für die Läuferseele bzw. das Läuferherz: Das Thermometer am 8. Juli 1995 zeigte beim Start um 18:00 Uhr noch starke 31 Grad im Schatten, sodass der Lauf für die mehr als 2.000 Aktiven zu einer echten Strapaze wurde. So zählt dieser Versuch von damals heute zu den gescheiterten Versuchen und die Idee einer Abendveranstaltung zur „Geschichte“ des Laufes! Zum guten Ende kam es durch die Vermittlung des Sportbeauftragen der Evangelischen Landeskirche, Klaus Stritmatter. Ihm war und ist es es zu verdanken, dass die Kritiker eines Starts am Sonntagvormittag besänftigt werden konnten und bis heute der ökumenische Morgengruß am Sonntagfrüh um 8.00 Uhr den Beginn des sonntäglichen Programmes einläutet. Der erste Starschuss fällt von diesem Tage an im Jahr 1996 bekannter- und üblicherweise um 8:15 Uhr.

Doch verlassen wir nun die Anfangs- und Lehrjahre des Stuttgart-Laufs und kommen wir zu einem Meilenstein der Stuttgart-Lauf-Historie. Im Jahr 2001 sollte der Stuttgart-Lauf Teil der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaft im Gottlieb-Daimler-Stadion werden. Eine grandiose Idee und eine gewaltige Herausforderung für alle Beteiligten, denn was da auf die WLVler zukam, wusste keiner wirklich abzuschätzen. Einerseits musste die reibungslose Abwicklung der Deutschen Meisterschaft gewährleistet, andererseits wollten genau 14.749 Stuttgart-Läufer gesund und munter ins Ziel geführt werden. „Dieses Ergebnis hatte uns etwas unerwartet getroffen. Der WLV stand vor einer Mammutaufgabe, die wir damals – und das können wir aus heutiger Sicht sagen – mit Bravour und viel Herzblut gelöst haben“, so der heutige WLV-Geschäftsführer und Stuttgart-Lauf-Projektleiter Gerhard Müller. Erstmals 2001 überschritt der Stuttgart-Lauf also die magische Zahl von „10.000“ Meldungen über alle Wettbewerbe und damit auch jegliche Erwartung des Orga-Teams.

Rekordjahre. Die Entwicklung des Stuttgart-Laufs zu einem Großevent nahm nun richtig Fahrt auf. Das Jahr 2002 bescherte dem Stuttgart-Lauf mit der Firma „smart“ seinen ersten Titelsponsor. Schließlich freute sich das Orga-Team im Rahmen der Feierlichkeiten zum 10. Geburtstag im Jahr 2003 über unglaubliche 16.523 Läufer und Läuferinnen und damit über einen neuen Teilnehmerrekord. Leider wurde die Jubiläums-Veranstaltung durch einen tragischen Todesfall überschattet, als ein Läufer kurz vor dem Ziel zusammenbrach und starb. Ein sehr schmerzhaftes Ereignis, das sich im Laufe der Jahre leider noch zweimal wiederholen sollte. Doch der Lauf boomte, wie der gesamte Laufmarkt, weiter. Bereits 2005 zählte man beim WLV 22.420 Meldungen und überschritt erstmals die kaum für möglich gehaltene 20.000er Marke – Rekord!

Den Höchststand aller Meldungen verzeichnete man beim WLV schließlich im Jahr 2008 – ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Events aber auch ein Knack- und Wendepunkt in der Historie des Laufes, der sich damals unter den TOP3 Halbmarathon-Läufen in Deutschland platziert hatte. Der Stuttgart-Lauf hieß seinerzeit, manch einer unter den Lesern mag sich noch erinnern, STUTTGARTER ZEITUNG-LAUF und sowohl bei den Sponsoren und Partnern, als auch bei der Stadt und im Orga-Team schwebte man quasi auf Laufwolke 7. Der Wunsch durch die Stuttgarter Innenstadt zu laufen war ob der guten Entwicklung des Laufes in greifbare Nähe gerückt und die Möglichkeit, diesen Lauf erleben zu können, erweckte unter den Läuferinnen und Läufern einen ungemeinen Hype. Mehr als 29.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen hinterließen ihren Namen in den Starterlisten – wie man heute weiß: ein Rekord für die Ewigkeit in Stuttgart.

Doch der Rekordlauf hinterließ seine Spuren, zum Teil auch schmerzliche. Nicht alles ließ sich im Vorfeld erahnen. „Wir rechneten ehrlich gesagt mit einer tollen Stimmung und vielen Zuschauern in der City. Wir wurden eines Besseren belehrt, denn Sonntagfrüh um halb 10 kommt tatsächlich kein Stuttgarter zusätzlich in die Innenstadt, außer dort brummt ein Volksfest. Wir hegten die Hoffnung, die Strecke sei attraktiv. Wir wurden eines Besseren belehrt, denn die tiefen und engen Häuserschluchten ließen bei den herrschenden 28 Grad bereits am frühen Morgen kein bisschen Frischluft zirkulieren und das altehrwürdige Kopfsteinpflaster auf manchen Straßenzügen in der City, führte zu schmerzhaften Erfahrungen der Teilnehmer“, erinnert sich Projektleiter Müller heute. So flachte das Interesse im Folgejahr spürbar ab: die Teilnehmerzahlen gingen zurück und damit auch die zu generierenden Einnahmen – ein Teufelskreis, der den WLV in diesen Jahren vor ganz besondere Aufgaben stellte. Doch eines haben alle WLV-Verantwortlichen seit jeher verinnerlicht und gelebt: aufgeben gibt es nicht!

Und jetzt? Seit einigen Jahren pendeln sich die Meldezahlen auf einem guten Niveau zwischen 17.000 und 18.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein. Die 2-Tagesveranstaltung mit einer hohen Besucherfrequenz am Veranstaltungs-Wochenende, einem Kids-Day am Samstag mit rund 5.000 Kindern, einer attraktiven Läufermesse in der Hanns-Martin-Schleyerhalle, einer Eventmeile mit gastronomischen Angeboten auf der Mercedesstraße und Beratungsangeboten rund um das Thema Bewegung ist zu einem beliebten Treffpunkt mit einem hohen Stellenwert in der Laufszene aber auch zu einer besonderen Herausforderung für den WLV als Veranstalter geworden. Jedes Jahr auf’s Neue gilt der Leitspruch: „Nach dem Lauf ist vor dem Lauf“. Heute in Corona-Zeiten muss das WLV-Orga-Team flexibler und umsichtiger denn je auf Einflüsse von außen reagieren, um in einer dynamischen Umgebung nicht den Anschluss zu verlieren und stets auf Höhe der Zeit agieren zu können. Nur mit vorausschauender Weitsicht und stets professioneller Arbeit unter den sich wandelnden Gegebenheiten wird der Stuttgart-Lauf auch in Zukunft das sein, was er für uns schon immer war: unser schönstes Bewegungsfest für die ganze Familie in und für Stuttgart.

Daher sei der historische Stuttgart-Lauf-Rückblick mit einem Dankeschön an alle beendet, die sich angesprochen fühlen oder auch nicht angesprochen fühlen. Allen voran geht der Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Lauf von 1994 an begleitet und geprägt haben. An die vielen Helferinnen und Helfer, die jedes Jahr und immer wieder dabei sind und den Stuttgart-Lauf zu etwas ganz Besonderem machen. Der Dank geht an Dienstleister und Zulieferer, die gerade jetzt großes Leid ertragen müssen (weil es einfach keine Läufe/Events gibt), die aber doch so wichtig sind, wenn es wieder los geht. Unser Dank geht unsere Partner und Sponsoren, für die finanzielle und sächliche Unterstützung, denn ohne diese Hilfe kann ein Stuttgart-Lauf nicht fortbestehen. Und zu guter Letzt geht ein Dankeschön an die Landeshauptstadt Stuttgart, insbesondere an das Amt für Sport und Bewegung für die gute Partnerschaft und die vielfältige Unterstützung seit 1994.

Nun stehen wir alle vor der neuen Herausforderung, die die Pandemie an uns stellt und wir gehen wie eh und je positiv an diese Aufgabe heran. Am 10. und 11. Juli startet der Württembergische Leichtathletik-Verband den 28. Stuttgart-Lauf – auf jeden Fall virtuell, gegebenenfalls mit einer „echten“ Strecke (das bleibt abzuwarten). Ganz sicher ist eines: wir lieben laufen und wir laufen weiter!

In diesem Sinne: herzlichen Glückwunsch WLV!

www.stuttgart-lauf.de